Kaum eine Führung auf einer Burg, die ohne Erklärung zu heute noch bekannten Redewendungen auskommt. Nur allzu bekannt ist beispielsweise der am Boden einer (Schatz-)Truhe aufgemalte Hund, der angibt, dass man „auf den Hund gekommen“ und demnach Pleite ist. Nicht selten erfährt man auch, dass wer einem „die Stange gehalten“ hat, ein Unparteiischer war, der im Turnier gefallenen Rittern durch eine Stange über dem Kopf vor weiterem Unbill zu schützen suchte.
Aber auch wer durch die Stadt geht, kann auf zahlreiche mit Gebäuden aus ehemaligen Zeiten in Verbindung stehende Redesarten stoßen. So diente der heutige innere Burghof der Wiener Hofburg einst als Austragungsort von Turnieren der Habsburger. Als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches prägte das mächtige Adelsgeschlecht Österreich über die Jahrhunderte. Dass einem manches am Hofzeremoniell der auch auf der iberischen Halbinsel herrschenden und vor allem dort erzogenen Kaiser und Könige noch heute „spanisch vorkommt“, dürfte auf der Hand liegen. Die Habsburger waren jedoch nicht die einzigen, die mit Reichtum glänzten. Unter ihnen auch der einstige Hofbuchdrucker Johann Thomas Trattner, der sich in unmittelbarer Nähe zur Burg, am Graben, einen prächtigen Hof erbauen ließ. Lange Zeit hieß es in Wien, wenn man zum Ausdruck bringen wollte, dass einer viel Geld hat: „Er hat’s trattnerisch“.
Von Bursen zum Salzamt
Mit einem Übermaß an Alkohol in Zusammenhang gebracht wurde gleich eine ganze Berufsgruppe. Wer „sauft wia-r-a Bürst’nbinder“ tut dies in Wahrheit jedoch weniger wie ein Vertreter jenes Gewerbe, sondern wie ein Student. Als Bürstner wurden nämlich die Bewohner der mittelalterlichen Bursen (Studentenheime), die in Wien in der Gegend um die Jesuitenkirche angesiedelt waren, bezeichnet. Die Beschwerden über das Treiben des Studentenvolks sollen zahlreich gewesen sein. Inwiefern diese auch zu Verurteilungen führten, lässt sich heute nur mehr mühselig nachweisen. In vielen Fällen ist anzunehmen, dass man sich genauso gut „beim Salzamt beschweren“ hätte können. Diese einst überaus mächtige Behörde, die in ganz Österreich Ämter hatte, durfte in Privatbesitz eingreifen und Enteignungen vornehmen. Später, als die Ämter aufgelöst wurden, erschien eine Beschwerde noch sinnloser. Eine Festnahme war damals ohnehin niemandem zu wünschen. Noch heute steht die Redewendung „auf der Dackn liegen“- anders ausgedrückt: auf dem rau(h)en Stein des Gefängnisbodens liegend (worin sich auch der Name der Wiener Rauhensteingasse erklärt, in der sich Gefängnis und Folterkammer befanden) – dafür, wenn es einem schlecht geht. Weitaus freundlicher klingt der Ausspruch „sich in der Liesl einquartieren“, was vom Spitznamen „Liesl“ für das Wiener Polizeigefängnis Roßauerlände auf der ehemaligen Elisabethpromenade herrührt.
Wurde man im 19. Jahrhundert als geisteskrank erklärt, war man zumindest in Linz „reif für’n Niedernhart“ – Oberösterreichische „Landes-Irren-Heil-und Pflegeanstalt“ Niedernhart -, während man in Wien bereits im 18. Jahrhundert „N Kaiser Josef sei Guglhupf“ – dem Narrenturm im Alten AKH – kam. Ein Insasse dieses in seiner Form an einen Gugelhupf erinnernde Gebäude wurden passend „ein Weinbeerl“, also eine Rosine, genannt.
Wiener Geselligkeit
Weitaus gemütlicher nahm und nimmt sich noch heute ein Besuch in einem der zahlreichen Kaffeehäuser des Landes aus. Es scheint wenig verwunderlich, dass man, sobald es irgendwo nicht mehr ganz so gemütlich ist, davon spricht „dees is‘ ka Caféhaus für mi'“. Zu gemütlich sollte es allerdings auch nicht sein, denn sonst besteht die Gefahr des „hukka blei’m“ – das Sitzen bleiben. Ein Wort, das ebenso fürs Wirtshaus, als für das Wiederholen eines Schuljahrs in Gebrauch ist.
Wer ins Wirtshaus einkehrt, obwohl er vorgibt in die Kirche zu gehen, geht in Niederösterreich „um einen Weihbrunn“. Wer zu umständlich ist in seinem Tun, „geht mit der Kirche ums Kreuz“ – was vermutlich auf eine Umkehrung von Prozessionsgängen um Kirchen herrühren dürfte. Gelegentlich werden aber auch einzelne Kirchen beim Namen genannt oder stehen mit Ereignissen in Zusammenhang. Allen voran das noch heute jedermann geläufige „im Leo sein“. Eine Redensart, die angeblich davon rührt, dass wer sich am in eine Kirchenmauer des Stephansdoms eingelassenen Ring festhielt, dem weltlichen Recht entflohen und sich der Kirche anvertrauen konnte. Es stimmt zwar, dass Leopold VI. ein solches Gesetz erließ, jedoch hat das nichts mit jenem an der Außenmauer des Doms angebrachten Ring zu tun.
Bekannt ist jedoch der Asylstein vorm Schottenstift, auf dem auch der Königsmörder Johann Parricida gesessen haben soll und vergeblich auf Einlass hoffte. Die Redensart „bei die Schott’n am Staan“ steht seitdem unter anderem für obdachlos sein. Parricida war übrigens Sohn der böhmischen Königstochter Agnes und verfügte damit wie viele Wiener über Verwandte aus Böhmen. Oftmals verriet der sprachlich starke Akzent die Herkunft der Einwanderer, weshalb man in Wien zu sagen pflegte „der is aa bei der Taborlina einakummen“ – was so viel bedeutet wie beim Richtung Böhmen ausgerichteten Tor im Linienwall mit Namen Tabor.
Unmittelbar in der Umgebung soll beim Donaukanal an der Rotenturmstraße über die Jahrhunderte ein -auf gut Österreichisch -„schiarches“ Haus gestanden haben. Dieses war „oben hui und unten pfui“, woraus sich -so zumindest eine Theorie -das heute noch geläufige „außen hui und innen pfui“ ableiten ließe. Im 19. Jahrhundert wurde das Haus abgerissen. Seine Spur hat sich wie in vielen anderen Fällen zumindest in unserer Sprache erhalten.
Titelbild: Graben – Trattnerhof – Blick gegen Kohlmarkt, Ansichtskarte © Wien Museum
Dieser Artikel erschien erstmals in der Raiffeisenzeitung am 21. Jänner 2021.
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